Schnittmuster sind für mich wie eine leere Leinwand: Es gibt unzählige Möglichkeiten, einem Schnitt die eigene Persönlichkeit einzuhauchen, das Kleidungsstück einem zu eigen zu machen. Die Möglichkeiten hören nicht bei der Stoffwahl auf – allein schon durch kleinste Details wie Absteppungen kann ein ganz neuer Look entstehen.
Vielleicht ist das auch ein zweischneidiges Schwert: Kommentare wie „Ich hätte niemals erkannt, dass das der Schnitt ist!“ freuen mich natürlich einerseits. Ich sehe das als Kompliment an meine Kreativität und Fähigkeit, Designs für mich zu interpretieren. Andererseits zeigt mir das auch etwas, was mir meist beim Nähen schon klar war: Dieser Schnitt funktioniert „ab Werk“ für mich nicht. Und ich spreche dabei nicht von Anpassungen für die Figur, denn die sind unabhängig von der Optik, dem eigentlichen Design des Kleidungsstücks notwendig (oder auch nicht).
Habt ihr einen Schnitt schon mal so abgeändert, dass er nicht mehr zu erkennen war? Ein Schnittmuster sozusagen unerkenntlich gehacked?
Ein besonders starkes Exemplar für so einen extremen Pattern Hack zeige ich euch heute: Mit meinem Stella Dress vom finnischen Indie-Label Named.
Auf Instagram habe ich euch raten lassen: Welchen Schnitt sehen wir hier? Die richtige Antwort war sogar einmal dabei, viele haben aber auch auf Lempi getippt.
Kleid Stella von Named Patterns
Den Schnitt Stella von Named gibt es als Blusen- und als Kleidvariante. Das Kleid hat eine Schluppe, einen V-förmigen Schlitz am Ausschnitt und Raglanärmel. Der Schnitt gefiel mir als technische Zeichnung und auch die genähte Version auf der Website finde ich schön. Von meinem plötzlichen Gefallen an den Schnitten von Named habe ich euch neulich berichtet: Als ich das Lempi Button Down Dress gezeigt habe und davor auch schon bei den Alexandria Peg Trousers.
Beide Schnitte habe ich größtenteils original belassen; bei Lempi habe ich nur eine Quetschfalte an den Taschen hinzugefügt, Alexandria hat einen Saumaufschlag bekommen. Die Hose habe ich bereits in vier Varianten im Schrank und ein weiteres Lempi Dress wird sicherlich auch noch dazu kommen.
Stella hingegen…
Als Stoff habe ich einen grauen Viskose-Twill verwendet, den ich auf Vorrat hatte. Der Stoff ist leicht meliert und wunderbar fließend. Toll für ein Blusenkleid mit Schluppe.
Als der geplottete Schnitt von der Druckerei ankam, schwirrten mir im Kopf schon hundert Sachen herum, die ich ändern wollte. Bis dahin hatte der Schnitt mir gut gefallen, aber je öfter ich ihn anschaute, desto mehr Dinge fielen mir auf, mit denen ich nicht ganz glücklich war: Der Schlitz am Ausschnitt schien mir auf einmal unpassend. Er war weder tief, noch ließ er tiefe Einblicke zu. Aber wer mir folgt, weiß, dass ich es gerne hochgeschlossen mag. Den Schlitz zu schließen war am Schnitt kein großer Act.
Dann kam mir aber noch die Idee: Wäre es nicht cool, die Bluse und das Kleid zu kombinieren und ein Blusenkleid aus Stella zu machen? Eine Knopfleiste hinzuzufügen war auch kein Problem. Da ich nicht genug der schwarzen Knöpfe hatte, habe ich mich entschlossen, die Knopfleiste nicht durchgängig zu machen. Bei der Art der Knopfleiste und der Absteppung habe ich mich von meinen Vintage-Second-Hand-Kleidungsstücken inspirieren lassen.
Das Nähen ging zügig. Und dann: Die Schluppe hing traurig am Ausschnitt und hatte null Charme. Die Bänder waren mir zu lang, um eine schöne Schleife zu bilden. Leider auch zu kurz, um sie doppelt zu nehmen und dadurch etwas mehr Volumen und Stand in die Sache zu bringen. Das traurige Gebaumsel wirkte in Kombination mit meinem Stoff bieder.
Diese Schluppe sieht vermutlich nur in einem Chiffon, wie ihn Named verwendet hat, gut aus.
Was tut eine Näherin, die Inspiration sucht? Richtig, Pinterest! Auf meinem Vintage-Inspirationsboard sind etliche Kleider aus den Fünfziger Jahren gespeichert, die übertrieben große Schleifen am Ausschnitt haben. Well, wer hätte mal gedacht, dass ich eine riesige Schleife tragen werden? Das schien mir aber das Beste, um die Essenz des Schnitts zu belassen. Viel hilft viel.
Ich habe die Bänder abgeschnitten, die Enden an der Knopfleiste eingeschlagen und zugenäht.
Die abgeschnittenen Bänder wurden in die Schleife integriert, die ich aus einem großen verstürzten Rechteck geformt habe.
Zwei Druckknöpfe bilden den Verschluss.
Und was wäre ein Kleid ohne Taschen?
Getreu dem Vintage-Stil, den ich eingeschlagen habe, habe ich eine Taschenform gewählt, wie man sie an einem Fünfzigerjahre-Kleid finden könnte.
Eine Tasche besteht aus zwei ovalen Teilen, die ich verstürzt habe. Das obere Drittel habe ich umgebügelt. Am liebsten hätte ich noch einen Knopf angenäht, aber es waren keine mehr übrig.
Stella und ich? Keine so großen Freunde. Caroline von Mehr Rückenwind hat es perfekt auf den Punkt gebracht: Manchmal ändert sich der Geschmack zwischen Schnittkauf und Nähzeit.
Kann auch innerhalb von zwei Tagen passieren, wie man hier sieht.
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