Kennen wir das nicht alle: Die heiß erwartete Stoffbestellung trifft ein, das Schnittmuster liegt schon fertig ausgeschnitten bereit und der Feierabend ist für den Zuschnitt geblockt – aber hier fehlt noch ein Schritt!
Was viele Nähbegeisterte nicht wissen: Ohne Vorwaschen des Stoffs könnt ihr euer Nähprojekt schon von Anfang an zum Scheitern verurteilen.
Stellt euch vor: Ihr investiert viele Stunden in den Zuschnitt und das Nähen, führt das Kleidungsstück stolz aus, schmeißt es in die Waschmaschine – und nach dem Waschen passt es nicht mehr. Stoff eingelaufen. Alles umsonst!
Das ist aber nur ein Szenario. Tatsächlich gibt es viele verschiedene Gründe, Stoffe vor der Weiterverarbeitung zu Waschen. Ich rate dringend dazu und wasche fast jeden Stoff, der durch meine Hände geht.
Warum solltest du deine Stoffe vor dem Nähen waschen?
- Stoffe können einlaufen. Manchmal hat man Glück und die Veränderung ist kaum wahrnehmbar. Manchmal ist aber das Gegenteil der Fall und der Stoff kommt schmaler aus der Waschmaschine, als man denkt.
- Ausbluten. Was ein bisschen nach Game of Thrones klingt, beschreibt in der Textilverarbeitung das Auswaschen von überschüssigen Farbstoffen. Gerade bei dunklen, blauen Denim- und roten Stoffen habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Farbstoffe im Herstellungsprozess nicht komplett ausgewaschen wurden.
Bedeutet: Wascht ihr einen Stoff oder ein Kleidungsstück aus einem ungewaschenen Stoff zusammen mit anderen Kleidungsstücken, erlebt ihr vielleicht eine böse Überraschung. Ihr lauft Gefahr, dass die anderen Kleidungsstücke einem Farbbad ausgesetzt werden und nach dem Waschgang eine andere Farbe angenommen haben. - Chemikalien: Habt ihr schon mal einen Stoff ausgepackt, der nach Plastik oder Chemie gerochen hat? Oft ist für uns Verbraucher:innen nicht ersichtlich, wie der Stoff behandelt wurde. Neben Farbstoffen gibt es auch Chemikalien, die dem Stoff zum Beispiel mehr Festigkeit oder Glanz verleihen.
- Manche Stoffe sind dafür designet, dass sie vor dem Zuschnitt gewaschen werden. Beispiel: Manche Crêpe-Stoffe müssen vorher gewaschen werden – erst durch das „Schrumpfen“ bestimmter eingewebter Fäden im Waschprozess zieht sich das Gewebe zusammen. So entsteht die unregelmäßige Textur. Dadurch büßt der Stoff meist noch etwas in seiner Größe ein – würde das beim fertigen Kleidungsstück passieren, wäre das ein Super-GAU.
Stoffe vorwaschen: Das solltest du beachten
- Kanten versäubern: Tut eurer Waschmaschine einen Gefallen, versäubert die Schnittkanten des Stoffes vor dem Waschen. Beim Waschen lösen sich aus der offenen Kante Fäden – und je mehr Stoffe ihr wascht, desto mehr Fäden landen irgendwo im Inneren der Waschmaschine. Nicht gerade gut für eine lange Lebensdauer eures Geräts.
Außerdem kommt der Stoff an den offenen Kanten stark verzogen aus der Waschmaschine. Trust me, I know.
Dadurch verliert ihr jedes Mal einige Zentimeter an jeder Seite, die ihr nicht für den Zuschnitt benutzen könnt. Meiner Erfahrung nach können das insgesamt gut 20 Zentimeter sein. Bei 1,5 m Gesamtlänge macht das einiges aus. - Aufteilen: Was bei der normalen Wäsche gilt, gilt auch hier: Ähnliche Farben und Stoffe zusammen waschen.
Denim / Jeansstoffe wasche ich lieber einzeln, da sie oft stark mit Farbstoffen bearbeitet wurden, die ausbluten können.
Ihr müsst aber nicht jeden Stoff einzeln waschen. Ich wasche oft mehrere gleichartige Stoffe gemeinsam, zum Beispiel einen dunkelgrünen und einen dunkelblauen Leinenstoff und einen dunkelblauen Baumwollstoff. Oder einen hellblauen, einen gelben und einen rosa Leinenstoff. Weiße Stoffe wasche ich mit der weißen Wäsche zusammen, andere helle und mittlere Stoffe mit der restlichen Wäsche.
Warum? Bei hellen Stoffen ist die Gefahr, dass sie ausbluten, meiner Erfahrung nach wesentlich geringer. Und ihr spart Wasser und Strom, wenn ihr mehrere Stoffe gemeinsam oder zusammen mit der restlichen Wäsche wascht. - Waschmaschinenprogramm bzw. Waschmaschineneinstellungen:
Die häufigste Frage zu diesem Thema lautet: Mit welcher Temperatur soll ich den Stoff waschen?
Das kommt drauf an. Außerdem gibt es noch weitere Faktoren, die ihr euch durch den Kopf gehen lassen solltet und nach denen ihr das Waschmaschinenprogramm wählen solltet:
- Material: Seide, feine Spitze und andere empfindle Stoffe generell im Schonwaschgang; Denim, Twill und Köper halten eher mehr aus.
- Schleudergang: Auch diesen Faktor solltet ihr eurem Stoff anpassen. Klar, Denim ist robust und Seide empfindlich. Aber war euch bewusst, dass Leinenstoffe Reibung nicht gut vertragen? Viel Reibung sorgt bei Leinenstoffen schneller dafür, dass sie sich abnutzen. Ich stelle bei Leinenstoffen den Schleudergang immer etwas niedriger ein.
- Waschmittel: Die meisten Stoffe wasche ich mit einem Universalwaschmittel.
Weichspüler benutze ich generell nicht. Wenn ihr gerne Weichspüler benutzen möchtet, macht euch vorher schlau, ob der Weichspüler für den Stoff bzw. die Fasern geeignet ist. Beachtet auch, dass Elasthan durch den Weichspüler angegriffen wird.
Seide und feine Stoffe wie Chiffon wasche ich mit einem Feinwaschmittel. - Temperatur: Im Onlineshop wird in der Regel eine Waschempfehlung gegeben, an die ihr euch halten könnt.
Kauft ihr einen Stoff vor Ort im Geschäft oder auf dem Markt und habt keine Artikelbeschreibung zum Nachschauen, haltet euch an an die Empfehlungen für den empfindlichsten Bestandteil.
Beispiel: Ein Baumwoll-Seide-Gemisch schonender waschen als einen reinen Baumwollstoff.
In der Ausbildung habe ich außerdem folgenden Merksatz gelernt:
Stoffe so waschen, wie ihr das fertige Kleidungsstück waschen wollt.
Näht ihr ein Kleidungsstück für den Sport oder für Kinder, das ihr auch mal mit 60° waschen wollt? Dann wascht auch den Stoff mit 60° vor. Stellt euch vor, ihr wascht den Stoff mit 30° vor, nur damit das fertige Kleidungsstück dann nach dem ersten heißen Waschgang eingeht. Ziemlich ärgerlich!
- Material: Seide, feine Spitze und andere empfindle Stoffe generell im Schonwaschgang; Denim, Twill und Köper halten eher mehr aus.
- Die Ausnahme der Regel:
Wollstoffe wasche ich generell nicht. Erstens sind sie sehr empfindlich, was das Waschen angeht. Zweitens saugen sie sich mit so viel Wasser voll, dass das Trocknen sehr langwierig und mühsam wäre (mehr dazu weiter unten). Drittens (hier greift wieder die „Stoffe waschen wie das fertige Kleidungsstück“-Regel): Aus Wollstoffen nähe ich in der Regel Mäntel und Jacken, die oft mit aufwendigeren Nähtechniken entstehen und auch allerlei andere „Inhalte“ haben, die ich nicht unbedingt in die Waschmaschine schmeißen würde, zum Beispiel Schulterpolster. Solche Kleidungsstücke gibt man am ehesten in die Reinigung – und da sie dort auch nicht in eine Waschmaschine gegeben werden, wo der Stoff womöglich einläuft, muss er auch nicht vorgewaschen werden.
Vielleicht habt ihr schon mal den Satz „Wolle reinigt sich selbst“ gehört. Durch die Faserbeschaffenheit bleiben Verschmutzungen – wenn überhaupt – oft nur oberflächlich haften und lassen sich gut mit einem feuchten Tuch oder einer Bürste entfernen.
Ab auf die Leine – Stoffe trocknen
Hurra! Der Waschgang ist fertig, die Stoffe kommen aus der Waschmaschine – und jetzt?
Da ich weder Garten, noch Terrasse, noch Balkon, noch Trockner habe, kann ich euch nur erzählen, wie ich meine Stoffe in der Wohnung trockne.
Ich falte den Stoff rechts auf rechts entlang des Fadenlaufs, sodass die Webkanten aufeinander liegen und die rechte Seite innen ist.
So kann ich den Stoff nach dem Trocknen entweder schön zusammenlegen und in der Stoffkiste verstauen, oder ich lege ihn gleich auf den Zuschneidetisch und kann loslegen. Da die rechte Seite innen liegt, kann ich auf dem Stoff so viel rumzeichnen, wie ich will, denn die linke Seite liegt nach meiner Faltart außen. Dadurch ist die „schöne“, nämlich die rechte Seite auch beim Lagern vor womöglichen Verunreinigungen geschützt.
Den längs gefalteten Stoff hänge ich dann auf den Wäscheständer. Bei längeren Stoffstücken hänge ich ihn so auf, dass er über mehrere Streben verteilt ist. Die Bögen berühren dabei nicht den Boden.
Ich empfehle, die Stoffe nicht zu dicht aufzuhängen. Lasst zwischen den Stücken etwas Platz, indem ihr eine oder mehrere Streben frei lasst. So beschleunigt ihr auch die Trocknung.
A propos: Ich stelle den Wäscheständer in die Nähe eines Fensters, damit die Sonne und der Luftzug das Trocknen beschleunigen.
Stoffe vorwaschen zur Gewohnheit machen
Bevor jetzt jemand sagt: Ich bin viel zu ungeduldig!, hear me: Die Zeit ist gut investiert. In den meisten Fällen sind unsere Nähprojekte gar nicht so dringend, wie wir uns selbst gerne einreden.
Es lohnt sich, das Stoffe vorwaschen zur Gewohnheit zu machen. Ich wasche die Stoffe in der Regel sofort. Paket auf, Overlock an, und ab in die Waschmaschine. Boom!
In unter zwei Stunden ist das Programm dann durch und ich kann die Stoffe aufhängen. Meist trocknen die Stoffe dann über Nacht und können am nächsten Tag schon verwendet werden.
Durch diese Angewohnheit kalkuliere ich die Wasch- und Trockenzeit schon mit in das Nähprojekt ein. Dadurch setzt die Ungeduld gar nicht ein, da mir von Anfang an klar ist, dass dieser Schritt dazu gehört.
Als Wasser- und Energieverschwendung sehe ich den Schritt auch nicht. Erstens wasche ich in der Regel mehrere Stoffstücke und/oder restliche Wäsche zusammen. Zweitens bringt es keinem etwas, wenn das fertige Kleidungsstück einläuft – das ist ärgerlich und bedeutet erst recht verschwendete Ressourcen.
Ich hoffe, der Beitrag war hilfreich für euch. Integriert das Stoffe vorwaschen in eure Nähprojekte!
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Nria
Danke für die Tipps! Besonders die Methode, Stoffe auf dem Wäscheständer zu trocknen, ist interessant für mich 🙂 (momentan nutze ich den Waschkeller meiner Eltern, aber der wird mir vermutlich nicht ewig erhalten bleiben)
Aber dass Wollstoffe langsam trocknen sollen, überrascht mich sehr. Ich verarbeite oft Wollstoffe fürs Liverollenspiel und wasche alles vor, halt im Wollwaschgang (da kommen aber auch keine Schulterpolster o.ä. rein). Und meine Erfahrung ist: Wolle trocknet superschnell – manchmal war ich mir gar nicht sicher, ob ich die Maschine überhaupt angestellt hatte, so trocken waren die Stoffe bereits (den Beweis lieferten dann mitgewaschene andere Stoffe, die nass waren).
Jenny
Ah, interessant! Ich hab die Erfahrung gemacht, dass Wolle so langsam trocknet, weil sie voller Wasser steckt. Das Trocknen hat dann immer ewig gedauert. Da mussten wir auch aufpassen und den Stoff nur liegend trocknen, weil er sich durch das zusätzliche Gewicht schnell verzieht.
SaSa
Ich mache es ganz genauso wie Du! Sobald neue Stoffe da sind, werden sie versäubert und gewaschen. Sehr lange Stoffbahnen habe ich auch schon zum Trocknen über eine halb geöffnete Tür gehängt, das hatte ich bei einer Französin gesehen. Bei neu gekauften Stoffen macht es Spaß, sie aufzuhängen und trocknen zu sehen. Ich bügle sie danach auch, bevor ich sie wegräume oder zuschneide.
Liebe Grüße, SaSa
Jenny
Das mit der Tür mache ich bei Bettwäsche 😉
Stoffe würde ich trotzdem falten und dann drüber hängen, sonst verzieht der sich unschön in eine Richtung. Aber bei längeren Stücken definitiv eine Option!
Petra
Vielen Dank für den Beitrag. Vor einigen Jahren habe ich irgendwo gelesen, dass die Stoffe vorbehandelt seien und sie ohne Waschmittel vorzuwaschen sind. Das habe ich verinnerlicht und nehme das Kursprogramm und wasche bei 40 Grad vor. Mit der Methode sehr zufrieden.
Viele Grüße
Petra
Jenny
Hallo Petra, das habe ich noch nie gehört, weißt du noch die Begründung? 🙂
LG Jenny
Jacky
Manchmal hab ich die Befürchtung, gerade Patchworkstoffe sehen nicht so toll aus nach dem Waschen, aber bisher war die Befürchtung unbegründet, allerdings schicke ich die Stoffe nicht unter die Overlock kleinere Stoffe wasche ich auch gern mal in einem alten Bettbezug oder in einem Wäschebeutel (der für Unterwäsche) durch.
Lieben Gruß Jacky
Jenny
Für kleinere Stücke unter einem Meter hört sich das nach einer super Option an! Danke für den Tipp!
Sabrina
Aufs Waschen verzichte ich auch nie. Beim Stoffkauf hier bei unseren örtlichen Stoffhändlern werde ich wirklich auch JEDES Mal drauf hingewiesen, wie wichtig das Vorwaschen ist. Und wie arg die neuen Stoffe abfärben können, davon können meine ehemals beige-farbenen Geschirrtücher, die mal mit in der Vorwäsche gelandet und jetzt knallorange sind, ein Lied singen ;-). Ich find auch, wenn man sich dran gewöhnt hat, dass es einfach nötig ist, gehört es zum Nähen genauso dazu wie das Versäubern von Webware.
Schmori
Hello,
Wäschst du Bündchenstoff auch vor?
Lg
Jenny
Klar – was sollte daran anders sein als an anderen Stoffen?
Michaela
Hallo, ich hab noch ne Frage, muss ich Jersey oder Sweat auch versäubern vor dem waschen?
Viele Grüße Michaela
Jenny
In der Regel nicht. Ich habe es mal bei einem Leinenjersey gemacht, der sehr gefädelt hat an den Schnittkanten. Regulär aber nicht.
Livilla
Spannender Blog,
Ich habe als Dankeschön von einem Freund und seiner Familie einen wunderschönen traditionell gebatikten Stoff aus Indonesien geschenkt bekommen. Daraus wird ein Kleid genäht. Ich weiß, dass ich es vorher waschen muss. Wie ist es am Besten? Ich habe Sorge, es falsch zu machen. Alles , was ich über Batik finde bezieht sich darauf selbst zu batiken. Hast Du einen Tipp? Oder doch Handwäsche kalt?
Viktoria Moosmayer
Hallo Livilla,
von den afrikanischen Stoffen weiß ich, dass sie sehr ausbluten. D. h. schwarz wird mit der Zeit braun! Ich hatte sie nur bei 30 Grad gewaschen.
Viel Glück
Viktoria
Susanne Bauer
Hallo Jenny,
vielen Dank für die wertvollen Tipps! Als Nähanfängerin frage ich mich noch, ob ich auch Schrägband vorher waschen soll. Dann sind ja die beiden akkuraten Falten weg und ich kriege sie mit dem Bügeleisen so perfekt bestimmt nicht wieder hin.
Beste Grüße
Susanne
Jenny
Hallo Susanne,
in der Waschmaschine würde ich das Schrägband nicht waschen. Ich habe es schon so gemacht, dass ich das Band in ein 60° heißes Wasserbad mit etwas Waschmittel gegeben habe. Danach dann gut ausspülen. So wird auch etwaige Farbe rausgespült – ich hatte auch schon den Fall, dass Schrägband ausgeblutet ist.